«Petri-Heil» hat mit Andreas Hertig ein Gespräch geführt über die wichtigsten Änderungen der Fischereivorschriften, die vom Konkordat der vier Kantone Zürich, Schwyz, Glarus und St.Gallen fürs Jahr 2018 beschlossen worden sind.
Interview: Dominique Lambert
«Petri-Heil»: Andreas Hertig, die Fischereikommission für den Zürichsee, Linthkanal und Walensee hat beschlossen, sowohl die Schonzeit als auch das Mindestmass für den Hecht ab dem 1. 1. 2018 komplett zu streichen. Warum?
Andreas Hertig: Die Kantone sind gemäss Bundesgesetzgebung dazu verpflichtet, für eine Fischart Schonbestimmungen vorzuschreiben, wenn die Gefahr besteht, dass diese Art ohne entsprechende Vorschriften in einem bestimmten Gewässer fischereilich übernutzt, also nicht nachhaltig, befischt wird. Umgekehrt ist eine spezielle Schonung einer Art nicht notwendig, wenn ihr keine fischereiliche Übernutzung droht.
Die Analyse von Hechtbesatz und Hechtfangentwicklung der letzten 40 Jahre zeigt für den Zürichsee keine positive Korrelation. Das heisst, die Hechtfänge im Zürichsee entwickelten sich unabhängig von der Anzahl der eingesetzten Junghechte stark nach oben. Dies wiederum bedeutet, dass die Naturverlaichung heute wieder derart gut funktioniert, dass der Hechtbesatz keinen Einfluss mehr hat. Der Besatz ging in den letzten Jahren offensichtlich in der Masse der naturverlaichten Junghechte richtiggehend unter.
Die Ursache: Durch den Nährstoffrückgang reduzierte sich das Phytoplankton, der See wurde viel klarer. Damit gelangt das Licht tiefer hinunter, was rund um den See im Haldenbereich ein Wachstum von Unterwasserpflanzen verursachte und mittlerweile ein fast unbegrenztes Angebot an Laichsubstrat für Hechte vorhanden ist. Im Gegensatz zu früher laichen die Zürichsee-Hechte kaum mehr im beschränkt vorhandenen Schilf im Flachwasser, sondern nutzen die Halde rings um den See.
Derselbe Reoligotrophierungs-Effekt ist auch am Genfersee, Neuenburgersee und Bodensee für ein massives Ansteigen der Hechtbestände verantwortlich.
Die Fischereikommission kam deshalb zum Schluss, dass der Hecht im Zürichsee auch ohne Schonbestimmungen nachhaltig befischt werden kann. So wie dies beispielsweise im Bodensee schon seit Jahren der Fall ist.
Die Laichzeit des Hechts ist bei den Berufsfischern die Zeit, wo sie die bedeutendsten Hechtfänge tätigen. Bisher konnten sie dies mit der Begründung des Laichfischfangs machen, ethisch und moralisch wurde es ihnen aber vorgehalten. Nun fällt diese ethisch-moralische Hürde – zumindest auf Gesetzesebene. Besteht damit nicht die Gefahr, dass die Berufsfischer nun noch gezielter während der Laichzeit Hechte voller Eier aus dem See ziehen?
Im Frühling fiel wegen des Laichfischfangs in der Tat ein grosser Anteil des Jahres-Hechtfangs der Berufsfischer an; sie fischten gezielt darauf und hatten extra für den Hechtlaichfischfang zusätzliche Grundnetze zugute. Mit dem Verzicht auf den Hechtbesatz und ergo auch auf den Hechtlaichfang fallen diese Zusatznetze nun weg. Damit wird sich im Vergleich zur bisherigen Situation der Fangdruck auf Hechte im Frühling verringern und es kann deshalb nicht behauptet werden, dass die Berufsfischer künftig gezielter als bisher auf Hechte fischen können – das Gegenteil ist der Fall. Es ist aber selbstverständlich davon auszugehen, dass im Frühling weiterhin zahlreiche Hechte mit Netzen gefangen werden – ebenso wie neu auch durch die Angelfischerei. Diese Fischerei ist nach Einschätzung der Fischereikommission jedoch nicht relevant für den Bestand und deshalb zulässig. Dazu ein Hinweis auf die bisherige Praxis: Weil der Hechtbesatz der letzten Jahre in der Masse der naturverlaichten Junghechte unterging, bedeutet dies gleichzeitig auch, dass die während der Laichfischfänge gefangenen Hechte nicht bestandesrelevant waren. Daraus ist zu schliessen, dass auch die künftige Frühlingsfischerei keinen negativen Einfluss auf den Hechtbestand im Zürichsee haben wird. Selbstverständlich wird die Fischereikommission die Situation im Auge behalten.
Die ethisch-moralische Argumentation ist ein ganz anderes Thema, das in die Eigenverantwortung jedes einzelnen Fischers gehört und nichts mit dem Fischbestandsmanagement und der Nachhaltigkeit zu tun hat. Denn wenn dieses Thema konsequent durchgedacht würde, dann müssten die Kantone für jede einzelne Fischart eine Schonzeit einführen. Interessanterweise gibt es in der Angelfischerei grossen Widerstand, wenn Schonbestimmungen für Hecht oder Egli reduziert werden. Niemand setzt sich jedoch für vergleichbare Schonbestimmungen für Rotaugen, Karpfen oder Schleien während deren Laichzeit ein. Warum? Da wird mit unterschiedlichen und subjektiven ethischen Ellen gemessen.
Im Übrigen wurden diese Vorschriftsänderungen zum Hecht im Frühling 2017 an einem runden Tisch mit den Vertretern der kantonalen Fischereiverbände und der Berufsfischer intensiv diskutiert und von allen akzeptiert.
Kommen wir vom Hecht zur Äsche. Im Linthkanal wird die Schonzeit um den Monat Januar verlängert, und zusätzlich ihr Schonmass von 32 auf 35 Zentimeter erhöht. Was erhofft sich das Konkordat davon?
Die Resultate meiner Dissertation sowie die Folgeuntersuchungen des Büros Aquatica belegen deutlich, dass im Linthkanal kaum eine Äsche unter 35 cm Länge abgelaicht hat. Äschen zwischen 32 und 35 cm Länge, die während der herbstlichen Äschensaison gefangen werden, besitzen zwar fast ausnahmslos reifende Gonaden (Hoden und Eierstöcke), jedoch laichen solche Fische erst im darauffolgenden Frühling zum ersten Mal ab. Da mittlerweile ein Grossteil der Linthkanal-Ufer revitalisiert wurde und mehr Lebensraum für Äschenbrütlinge vorhanden ist, macht ein besserer Schutz der Erstlaicher Sinn, weil damit mehr Laichtiere am Laichgeschäft teilnehmen können. Im Gegensatz zum Hecht im Zürichsee wird bei der Linthkanal-Äsche der Schutz der Erstlaicher durch die Fischereikommission als bestandesrelevant angesehen.
Die Naturverlaichung der Äsche braucht vor allem eines: gutes Laichsubstrat. Dies ist in der heutigen Zeit, wo die Flüsse kaum noch Geschiebe haben, leider selten geworden. Wie will man hier eine Verbesserung herbeiführen?
Da der Linthkanal fast von allen ehemaligen geschiebezuführenden Zuflüssen abgeschnitten ist, weist er ein Defizit an geeignetem Laichsubstrat für Äschen auf. Zumal mit den stark aufgekommenen Wandermuscheln immer mehr tote Muschelschalen auf dem Flussgrund liegen. Die Fischereikommission möchte deshalb eine Geschiebezugabe an geeigneten Stellen prüfen, um die Anzahl und Ausdehnung von Äschenlaichplätzen künftig erhöhen zu können. Dies ist nicht ganz einfach, weil in jedem Fall der Hochwasserschutz Priorität hat und auch die Schifffahrt gewährleistet werden muss. Deshalb soll in einem ersten Schritt durch ein spezialisiertes Büro in einer Machbarkeitsstudie geklärt werden, wo und wie solche Kiesschüttungen unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes überhaupt möglich wären.
Gemäss Gutachten aus dem Jahr 2016 fehlen im Linthkanal ältere Äschen, was für die Naturverlaichung problematisch ist. Dies erstaunt vor allem aus dem Grund, weil kleinere Äschen in erfreulicher Anzahl vorkommen. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass daran der in grossen Massen jagende Kormoran nicht ganz unschuldig ist. Sind hier vom Konkordat griffige Massnahmen geplant?
Die Analyse der Fischfangdaten belegt, dass in den letzten Jahren anteilmässig weniger grosse Äschen im Linthkanal gefangen werden als früher. Ob die Ursächlichkeit beim Kormoran liegt, kann nicht bewiesen werden, ist aber auf den ersten Blick naheliegend. Die Kormoran-Verletzungsrate in den untersuchten drei Jahren war jedoch mit weniger als einem Prozent verletzter Äschen im Vergleich zu anderen Flüssen tief. Die Kormoranverletzungsrate gilt gemeinhin als relativ zuverlässiger Gradmesser für die Intensität der Kormoranprädation. Die tiefe Rate wird auch auf die lokale Kormoranabwehr zurückgeführt. Bei einer starken Kormoranprädation müssten nämlich auch die «mundgerechten» kleineren und jüngeren Äschen im Bestand Lücken aufweisen. Dies war aber nicht der Fall. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren während der Äschenlaichsaison teilweise einen starken Einflug auf den Laichplätzen, und zwar vor allem nach der Jagdzeit von Ende Februar, wo Abschüsse nicht mehr möglich sind. Deshalb werden jetzt auch jagdliche Massnahmen nach Ende Februar in Absprache mit dem Bund geprüft, um auch die für die Äsche sensibelste Zeit abzudecken.
Du wirst das Amt des Fischereiadjunkts im Kanton Zürich nach 13 Jahren abgeben und nach Bern wechseln. Wer wird dich ersetzen?
Wenn ich im kommenden Frühling zum Fischereiinspektorat des Kantons Bern wechsle, wo ich in den Bereich Fischereimanagement von Christoph Küng übernehme, tritt Lukas Bammatter meine Nachfolge im Kanton Zürich an. Über seine Wahl freue ich mich sehr. Wir lernten uns vor ziemlich genau zehn Jahren kennen, als ich ihn bei seiner Masterarbeit über die Reproduktion von Seeforellen in kleinen Seezuflüssen betreute. Danach arbeitete er ein paar Jahre fürs «Petri-Heil»; mittlerweile ist er beim Bafu tätig. Ich bin sicher, dass Lukas sein Amt mit Umsicht und Fachverstand ausüben wird. Als Biologe und leidenschaftlicher Fischer bringt er gute Voraussetzungen mit, um Ökologie und fischereiliche Praxis für die Zürcher Fischerei gewinnbringend zu vereinen. Ich wünsche ihm viel Erfolg in diesem spannenden und vielseitigen Job!
Andreas Hertig, ich danke dir für das Gespräch.



