Fischer sollten nie sagen, dass sie alles wissen und schon alles gesehen haben. Selbst nach 50 Jahren als Raubfischangler lernt auch Bertus Rozemeijer immer noch dazu. Als Guide sorgt er mit viel Know-how dafür, dass seine Kunden Fische an den Haken bekommen. Dann aber gibt es auch Gäste, die ihm völlig neue und unerwartete Ansätze vermitteln.
Die Liste der Dinge, die man beim Fischen falsch machen kann, ist lang. Meine Guidinggäste haben leider oft keine Vorstellung davon, wozu ein grosser Hecht im Drill in der Lage ist. Sie vergleichen seine Kampfkraft häufig mit der von den Räubern, die sie an ihren heimischen Gewässern fangen. Das sind meist kleine Flüsse, Seen oder Kanäle.
Die grösseren Hechte werden die meiste Zeit des Jahres auf vielen Seen relativ flach gefangen – in Bereichen zwischen einem und maximal vier Meter. Das sind genau die Zonen, in denen die Unterwasserpflanzen am besten gedeihen. Es handelt sich zwar um super Plätze für Hechte, aber die üppige Vegetation kann auch ein grosses Hindernis sein. Deshalb sollten Sie nie mit zu leichtem Gerät losgehen. Als Guide werde ich zu oft mit diesem Phänomen konfrontiert. Sie brauchen eine kräftige Rute, mit der man auch 50 Gramm schwere Köder locker werfen kann. Dabei sollten Sie sich nicht immer auf das auf der Rute angegebene Wurfgewicht verlassen. Es ist schlimm genug, dass hier einige Hersteller für allerlei Durcheinander sorgen.
Wenn Sie zum Rutenkauf in den Fischerladen gehen, wird der Verkäufer als erstes an der Spitze ziehen, um die Rute zu biegen und Ihnen auf diese Weise zeigen wollen, wie kräftig der Stock ist. Das ist eigentlich sinnlos. Es ist besser, ein paar Köder von der Wand zu nehmen, die in Grösse und Gewicht Ihren Bedürfnissen entsprechen. Wenn sie sich bereits unter dem Gewicht dieser Köder biegt, stellen Sie die Rute gleich wieder weg. Suchen Sie sich lieber eine so kräftige Rute aus, die bei diesem Ködergewicht noch weitgehend gerade bleibt. Wenn Sie die passende Rute gefunden haben, lassen Sie den Ladenbesitzer ruhig nochmal an ihr ziehen – damit auch er glücklich ist.
Ich begrüsse immer wieder Gäste auf meinem Boot, die mit einer Schnur fischen, die überhaupt nicht zur Rute, zu den Ködern und den erhofften Grosshechten passt. Ein Geflecht mit einem Durchmesser von 0,10 bis 0,14 Millimeter ist viel zu dünn. «Diese Schnur hält aber zehn Kilo», höre ich dann häufig. Das mag zwar sein, aber sie hat keine Dehnung! Ein Fehler – und alles ist vorbei. Ein Fehler beim Werfen, und schon reisst der Köder ab. Und ein Fehler im Drill des Grosshechts? Das Leben ist plötzlich ein Drama! Verwenden Sie ein 0,18er- oder noch dickeres Geflecht. Auf kapitale Hechte im Kraut fische ich sogar mit 0,25er.
Das Vorfach sollte hier eigentlich kein Thema mehr sein, ist es aber immer noch. Ich verwende 0,8 Millimeter dickes Fluorocarbon – seit 16 Jahren ohne Fischverlust. Es ist besser, wenn das Vorfach kürzer ist. 30 Zentimeter sind mehr als genug. Wenn Sie ein längeres Vorfach verwenden, können Sie nicht so genau werfen. Was aber noch wichtiger ist: Sie könnten Ihren Partner im Boot mit dem Köder verletzen. Ich kann diese Ausführungen beliebig fortführen. Aber was habe ich von anderen Gastfischern gelernt?
Gegen die Drift fischen
Ich liebe das Fliegenfischen auf grosse Räuber. Hechte liefern an der Fliegenrute sensationelle Drills. Für alle, die eine Fliege auch nur ansatzweise werfen können, ist das Fischen mit Streamern unproblematisch. Vom treibenden Boot gehört nicht viel mehr dazu, als ein wenig nach links oder rechts zu werfen. Nach dem Wurf holt man den Streamer einfach ein. Jahreszeitenabhängig benutze ich verschiedene sinkende Schnüre. Die meiste Zeit und in den häufigsten Situationen fische ich mit einer Intermediate-Schnur. Sie sinkt langsam und erreicht Tiefen von nur einem Meter bis etwa drei Meter. Eine Sinkschnur verwende ich seltener. Das wird sich ändern, denn einer meiner Gäste fischte völlig anders als ich. Anstatt nach vorne zu werfen, warf er andauernd nach hinten. Während der langsamen Drift konnte er den Streamer optimal zum Leben erwecken und tödlich langsam einholen. Die Kombination aus einer schnell sinkenden Schnur und einer Tiefe zwischen zwei und drei Meter passte super, um den Streamer immer nahe am Boden zu halten. Gelegentlich setzte sich der Streamer in versunkenem Holz fest, sodass wir kurz umkehren mussten, um den Hänger zu lösen. Das klappt aber recht einfach: Setzen Sie das Boot zurück, bis Sie wieder ein paar Meter vor dem Gestrüpp sind. Ziehen Sie dann in die entgegengesetzte Richtung des Hängers. In neun von zehn Fällen löst sich der Streamer. Paul fing deutlich mehr als sein nach vorne werfender Freund – und dabei auch ein paar Meterhechte. Das hat mich nachdenklich gemacht: Warum habe ich meine Streamer nie auf diese Weise geführt?
Kleines für die Grossen
Als Hechtangler denkt man oft über grosse Köder nach. Ich habe Hechte auf wahnsinnig grosse Köder gefangen, aber manchmal ist der Hecht kleiner als der Köder selbst. Und seien wir ehrlich: Grosse Köder fangen oft grosse Hechte. Das ist jedoch nicht immer so. Im zeitigen Frühjahr scheinen die Hechte lieber einen kleinen Snack zu sich zu nehmen als eine komplette Mahlzeit. Das wurde mir auf zwei verschiedene Weisen gezeigt. Viele kapitale Hechte sind zur Laichzeit im Flachen anzutreffen, die meisten stehen flacher als in einem Meter Wassertiefe. Ich fische gern mit Gummis und verwende auch Köder in Längen von mehr als 20 Zentimeter. Einen Grossteil des Sommers und oft bis weit in den Herbst machen diese Köder einen tollen Job. In der Zeit vor und nach dem Laichen ist das nicht so – solange man ihn nicht ohne Bleikopf führt und ihn somit extrem langsam präsentieren kann.
Einer meiner Gäste hat es etwas anders gemacht. Mit einem schlanken, 14 Zentimeter langen Shad am superleichten Jigkopf und einer 2,70 Meter langen Rute konnte er sehr langsam fischen und einige richtig grosse Hechte fangen. Ein Bleikopf in flachem Wasser funktioniert häufig nicht gut. Aber wenn man die Rutenspitze zu Beginn des Einholens sehr hoch hält und dann langsam absenkt, je weiter der Köder zum Boot kommt, kann man gut fangen. Mit dieser Methode führte er den Köder über die komplette Wurfdistanz in der gleichen Tiefe. Und das war anscheinend genau das, was die Fische wollten.
Köder anders einholen
Auch das Fischen mit Hartplastikködern auf flach stehende Hechte im kalten Wasser des Frühjahrs kann prima funktionieren. Bei flachem und klarem Wasser denken viele Fischer zuerst an Jerkbaits. Mir gehts genauso. Aber Jerkbaits werden oft ziemlich aggressiv geführt – und das ist nicht unbedingt nach dem Geschmack der grossen Hechte. Stellen Sie sich ein grosses flaches Plateau mit einer Tiefe von zwei bis vier Meter vor. Am Ende fällt es um mehrere Meter steil ab. Sie werfen vom tieferen ins flachere Wasser. Normalerweise fische ich so langsam wie möglich mit kurzen Bewegungen der Rute.
Einer meiner Gäste hat es anders gemacht: Zwei bis drei kurze, harte Züge, nach denen der Köder über mehrere Meter weiterglitt. In der anschliessenden Pause taumelte der Köder langsam nach unten. Dabei hielt er ihn über die gespannte Schnur aber ständig auf Zug. Mir wurde schnell klar, warum er dies tat. Während dieser langsamen Sinkphase attackierten die Hechte den Köder oft mit voller Wucht. Nach dem Absinken holte er den Köder mit zwei bis drei kurzen Rutenzügen wieder nach oben. Danach wiederholte sich der gesamte Prozess. Das klingt recht einfach. Es erfordert jedoch viel Konzentration, über einen längeren Zeitraum so zu fischen. Beim Beobachten dieser Technik war ich zunächst skeptisch. Erst als wir auf diese Weise einige richtig grosse Fische fingen, erkannte ich, eine weitere Lektion gelernt zu haben.
Mehr Fänge mit Freude
Es ist wichtig, immer gute Laune zu bewahren. Manchmal verliere auch ich sie. Aber wenn man bei der Sache bleibt, ist es jederzeit möglich, noch einen Fisch zu landen. Ich bin ziemlich genervt davon, wenn ich meinen Köder nach nahezu jedem Wurf von Kraut befreien muss. Einmal holte ich ihn sauber ein, dann hing wieder Grünzeug an ihm. Gedanklich ist man oft im Herbst – mit einem nahezu krautfreien Gewässergrund und viel Platz, damit der Köder genauso sauber zurückkommt, wie man ihn aus der Box genommen hat.
Stellen Sie sich nun einmal zwei Fischer vor, die keine Ahnung vom Raubfischfang haben. Einer von ihnen hatte bisher nur mit der Stippe gefischt. Sie konnten nicht werfen. Sie zielten nach rechts, der Köder schlug links ein. Ein superharter Wurf, der den Köder normalerweise 50 Meter weit fliegen lässt, endete gerade mal sechs Meter vor dem Boot. Ich hatte die Hoffnung Fische zu fangen bereits aufgegeben – nicht jedoch dieses super Duo. Sie holten ungefähr eine Tonne Unkraut ins Boot, ohne den Spass am Fischen zu verlieren. Lektion für mich: Nimm grünen Teppich! Einer der Jungs begann irgendwann, den Köder mit erhobener Rute einzuholen. Normalerweise führt man einen Tailbait mit ein paar Rucken, aber meine Jungs kurbelten ihn einfach ein. Aus heiterem Himmel gab es einen Biss. Zu meiner Überraschung landeten sie einen schönen 84er-Zander, dem noch ein weiterer von 80 Zentimeter folgte. Sie attackierten den Köder oberflächennah knapp über dem Kraut.
Sein Partner kopierte diese Technik und fing einen 95er-Hecht. Am Ende des Tages hatten wir mehrere Hechte gefangen, und das auf eine – für einen Tailbait – völlig ungewöhnliche Weise. Warum sich immer abmühen? Warum den Köder immer nur so führen, wie er geführt werden sollte? Einfach mal die Rute heben und den Jerkbait dicht unter der Oberfläche einkurbeln – das reicht, um einen grossartigen Tag zu erleben. Etwas so zu machen, wie es eigentlich nicht sein sollte und dabei trotzdem Erfolg zu haben, ist die eine Sache. Aber dauerhaft Spass zu haben, obwohl man ständig Kraut fängt, war eine Lehrstunde für sich.
Bertus Rozemeijer







