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Petri-Heil

Dein Schweizer Fischereimagazin

Kies macht müde Flüsse munter

Die Unterbrechung des natürlichen Geschiebetransports ist eines der grössten ökologischen Probleme, das die Nutzung von Wasserkraft mit sich bringt. Die Folgen für Äschen und andere Kieslaicher werden bis heute stark unterschätzt. Das zeigen Versuche mit Geschiebezugaben in der Aare, die unerwartet deutliche Resultate brachten.

Der Unterlauf der Aare hat besonders stark gelitten unter dem Kraftwerksbau. Die früher reichen Geschiebefrachten aus Emme, Wigger, Reuss und Limmat sowie diversen kleineren Zuflüssen versiegten nach und nach.

Die charakteristischen weitläufigen Kiesbänke der Aare verschwanden bis auf klägliche Reste in den letzten frei fliessenden Strecken. Vor bald zehn Jahren beschlossen die Kantone Bern und Solothurn einen grenzüberschreitenden Versuch. Man wollte schauen, ob sich der Geschiebehaushalt der Aare zwischen Flumenthal und Murgenthal künstlich wieder herstellen liesse. Als Versuchsstrecken wurden Deitingen und Aarwangen ausgewählt.

Als Indikator für die angestrebte ökologische Verbesserung wählte man die Anzahl und Verteilung von Äschenlarven. Mit dieser Untersuchung wurden die erfahrenen Fischbiologen Martina Breitenstein und Arthur Kirchhofer beauftragt.

Zwei Versuche

In die Aare bei Deitingen wurden im Januar 2005 rund 12 000 Kubikmeter feinkörniger Kies aus dem Geschiebesammler bei der Emmemündung eingebracht. Im ersten Jahr wurden 1700 Kubikmeter abgetragen, danach nahm der Transport deutlich ab auf durchschnittlich 500 Kubikmeter pro Jahr. Die Erosion der Kiesbank erfolgte wie geplant entlang der Aussenböschung und bei überströmtem Zustand auch an der Oberfläche. Das Material wurde bisher etwa einen Kilometer flussabwärts transportiert, wo die Sohle um bis zu 60 Zentimeter auflandete. Es wurde weniger Material transportiert, als berechnet worden war.

Im November 2005 schüttete man auch bei Aarwangen 10 750 Kubikmeter gesiebten Kies mit einem Durchmesser von bis zu fünf Zentimetern. In der ausgeprägten Linkskurve oberhalb der Kiesgrube Risi, wo das Geschiebe herstammte, formte man eine Halbinsel. Bereits im folgenden Frühling führte die Aare während vier Wochen starkes Hochwasser und nahm 8500 Kubikmeter Kies mit. Das bestätigte die Fachleute bei der Wahl dieser Stelle. Durch das relativ grosse Gefälle und die ausgeprägten Kurven kann der Fluss hier eine enorme Schleppkraft entwickeln.

Und schon im Herbst 2006 konnte man den frischen Kies im Wolfwiler Rank, dem so genannten «Cher» gut erkennen. Die Ablagerungen dehnten sich bis ins Frühjahr 2008 weiter aus. Sie bedecken heute eine Fläche von 4000 Quadratmetern, wovon regelmässig etwa die Hälfte trocken fällt.

Kein Kies, keine Äschen

Der Mangel an Geschiebe in der Aare hatte zur Folge, dass kieslaichende Fischarten kaum noch geeignete Laichplätze fanden. Ein gutes Beispiel ist die Äsche, die für ihre Laichgruben flache, rasch fliessende Bereiche mit lockerer, nicht zu grober Kiessohle sucht. Die Fortpflanzung findet in der Aare hauptsächlich im März statt.

Drei bis vier Wochen nach der Eiablage schlüpfen die Larven. Nach einigen Tagen in den schützenden Zwischenräumen des Kiesbetts, steigen sie an die Wasseroberfläche und füllen zum ersten Mal ihre Schwimmblase. Während sie instinktiv in Richtung Ufer schwimmen, werden sie von der Strömung flussabwärts im Gewässer verteilt.

Die folgenden drei bis fünf Wochen verbringt die Äschenbrut in flachen, schwach strömenden Uferzonen. In dieser Lebensphase sind sie unverwechselbar und lassen sich gut zählen. Deshalb bieten sich Larvenzählungen und -kartierungen auch für die Erfolgskontrolle von Aufwertungsmassnahmen an.

Mit zunehmender Grösse dehnt sie ihren Lebensraum in grössere Tiefen und stärkere Strömung aus. Der ideale Zeitpunkt für die Zählungen muss jede Saison durch ständige Beobachtung ermittelt werden. Für vergleichbare Resultate zählt man nur bei optimalen Sichtbedingungen.

Wichtige Larvenzählung

Das Monitoring in der Aare begann 2005. Man bestimmte zwölf Strecken von je 200 bis 300 Meter Länge und bestimmte seither jedes Jahr die Äschenlarvendichten. Nur 2010 war das durch eine lange Hochwasserphase nicht möglich.

Für das Verständnis der Resultate ist es wichtig zu wissen, dass grosse jährliche Schwankungen bei der Jahrgangsstärke typisch für die Äsche sind. Ihre Eier reifen bis zu sechs Wochen im Kiesbett. Wenn in dieser Zeit starke Hochwasser auftreten, die das Geschiebe bewegen, bedeutet das oft schwere Verluste. Das passierte in der untersuchten Aarestrecke 2006 und 2008 und zeigte sich danach deutlich bei den Zählungen.

Jene Jahre, in denen sich der Äschennachwuchs ungestört entwickeln konnte, belegten hingegen das Potenzial der Schüttungen erfreulich deutlich.

Neue Laichplätze rasch angenommen

Direkt unterhalb der Kiesschüttung Deitingen wurden bereits im ersten Jahr markant höhere Äschenlarvendichten festgestellt als in den Referenzstrecken flussaufwärts. Die Äschen hatten das neue Angebot sofort entdeckt und genutzt.

Ebenso eindrücklich ist der Effekt der Kiesschüttung Aarwangen: Vor der Massnahme beobachtete man zwischen Aarwangen und Wolfwil nur noch einzelne Äschenlarven. Seither hat ihre Zahl in den geeigneten Flachwasserzonen stark zugenommen und 2011 sehr erfreuliche Spitzenwerte erreicht. In der Referenzstrecke oberhalb der Kiesschüttung wurde hingegen keine Zunahme der Äschenlarven festgestellt.

Die Kiesschüttungen werden von der Aare stossweise flussabwärts verfrachtet. Das Geschiebe wird an günstigen Stellen abgelagert. Dabei bilden sich unterschiedlich grosse, lockere Kiesbänke, die bei klarem Wasser deutlich sichtbar sind. Im ersten Jahr dienten vor allem Bereiche der Kiesschüttung als Laichplatz, später nahm dann die Bedeutung der flussabwärts entstehenden Kiesbänke zu. Auch das zeigt die sorgfältige Kartierung der Äschenlarven.

Wirkungsvolle Hegemassnahme

Auch aus fischereilicher Sicht sind diese Kiesschüttungen ein erfreulicher Erfolg. Aus der umfassenden Beobachtung der beiden Standorte liessen sich wichtige Erfahrungen für künftige Projekte gewinnen. Der Äschennachwuchs ist sprunghaft und auf ein Vielfaches der Werte vor den Schüttungen angestiegen. Damit konnte gleichzeitig der Nachweis erbracht werden, dass in der Oberaargauer Aare das fehlende Geschiebe ein zentrales Problem für alle kieslaichenden Fischarten ist.

Die Zugabe von Kies ist in dieser Situation eine kostengünstige Möglichkeit den Lebensraum und insbesondere den Fortpflanzungserfolg der Äsche und anderer Kieslaicher wie Barbe, Nase, Forelle und Lachs wirkungsvoll zu verbessern.

Die überzeugenden Resultate belegen, dass zumindest die Äschen diese neuen Angebote rasch entdecken und nutzen. Im Februar 2010 wurden in Aarwangen weitere 9600 Kubikmeter Kies eingebracht. Der Frühling 2011 bot ideale Voraussetzungen für die Fortpflanzung und das führte zu lange nicht mehr beobachteten Mengen von Äschenlarven, die auf bessere Zeiten hoffen lassen.

Autor: dal

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