Skeena – allein sein Name löst bei vielen Kanadafischern Begeisterungsstürme aus. Nebst dem exzellenten Lachsvorkommen sind die Steelheads seine besondere Attraktion. Lukas Bammatter hat den Traumfluss in Britisch Kolumbien besucht und wurde unheilbar vom Drillfieber befallen.
Dicke Wolkenbänder schweben wie von Geisterhand gezogen entlang der dicht bewaldeten Bergflanken. Lautlos nieselt feiner Regen aus ihnen nieder.
«Skeena weather» nennen es die Einheimischen, wenn die schweren Wolken tief durch das breite Flusstal ziehen und der Regen in dünnen, kaum sichtbaren Fäden vom Himmel fällt.
Wie so oft wird er von Windböen begleitet. Eine davon lässt einen stattlichen Weisskopfadler über unsere Köpfe hinweg schweben. Nur knapp 50 Meter weiter flussauf lässt sich der majestätische Vogel auf einem mächtigen Baumstamm nieder.
Diesem Naturschauspiel kann ich meine Aufmerksamkeit nicht entziehen. Gedankenversunken lasse ich meinen Blick über den breiten Flusslauf und die ausladenden Kiesbänke schweifen, weiter über die satt grünen Baumhügel bis auf die schneebedeckten Bergspitzen empor.
Plötzlich reisst mich das laute Surren meiner Rollenbremse aus meinen Träumen. Ssssssssssss. Zehn, 15, 20 Meter Fliegenschnur zischen innerhalb weniger Sekunden durch die Ringe meiner Zweihandrute. Die Wasseroberfläche explodiert, als ein grosser silberner Körper zuckend aus dem Wasser springt. «Steelhead!», kommt gleichzeitig aus mehreren Mündern der begeisterte Aufschrei.
Das Wasser spritzt weiss auf, als sie zurück in die Fluten platscht. So gut es geht halte ich die Rute hoch. Obwohl meine Rollenbremse komplett zugedreht ist, zieht mein Gegner mit unbändiger Kraft mit der Strömung flussab. Wieder springt er hoch aus dem Wasser. Und nochmal. Dann ist die Spannung weg…
Mit zitternden Knien wate ich zurück ans Ufer. Ich brauche ein paar Minuten bis ich wieder bei Sinnen bin. Meine Enttäuschung weicht schnell der Begeisterung, die dieser unglaublich kämpfende Fisch in mir entfacht hat. Mich beherrscht nur noch ein Gedanke: Das will ich wieder erleben!
Eine Autobahn für Lachse
Mein Wunsch wird erfüllt. Während der zehn Augusttage, an denen ich mit meinem Kollegen Phil den Skeena befische, habe ich fast täglich ein Rendezvous mit einer Steelhead. Häufig bleibt es bei einer flüchtigen, aber intensiven Begegnung…
Die Steelhead-Bestände haben sich nach dem dramatischen Einbruch zu Beginn des 21. Jahrhunderts gut erholt. Jährlich kehren mehr Fische in Skeena und seine Zuflüsse zurück. So werden sie dem Ruf gerecht, der sie unter Sportfischer weltberühmt machte: Steelhead-Paradise.
Der Fluss ist bei unserem Besuch voll mit Fischen: da ein Schwall an der Oberfläche, dort das Aufblitzen einer silbernen Flanke. Grösstenteils sind es Lachse, die zu Tausenden gleichzeitig wie auf einer Autobahn den reissenden Strom hinauf schwimmen. An manchen Stellen können wir die besonders zahlreichen Buckellachse direkt vor, und manchmal sogar über unseren Füssen vorbeiziehen sehen.
Wir haben das Glück, dass alle fünf Pazifischen Lachsarten noch bzw. bereits schon zahlreich im Fluss sind. Die Rotlachse, deren Aufstieg im Skeena bis Ende Juli 2012 auf über vier Millionen geschätzt wird, sind noch immer da und beisswillig. Und auch die Rückkehr der Silberlachse hat spürbar eingesetzt.
Königslachse werden vereinzelt auch noch gefangen. 2012 fiel der Aufstieg der Chinook, wie der grösste Pazifische Lachs genannt wird, jedoch schwach aus. Noch selten sind in den letzten 40 Jahren so wenige «Kings» den Skeena und seine Zuflüsse hochgeschwommen.
Ein besonderes Highlight sind die kampfstarken Hundslachse. Wegen ihres vermeintlich minderwertigen Fleisches lassen sie viele Fischer links liegen. Zu Unrecht, wie ich meine, denn was ihre Kraft und Ausdauer im Drill betrifft, setzen sie Massstäbe. Nicht explosiv wie die Steelhead, aber stur wie ein Wildschwein zerren sie die Schnur von der Rolle und treiben dem Fischer Schweissperlen auf die Stirn.
Alleine schon ihr Aussehen verrät ihr Kämpferherz. Die grossen, scharfen Zähne, denen sie ihren Namen unter anderem zu verdanken haben, widerspiegeln ihre Aggression, die bordeauxroten, flammenförmigen Streifen auf den Flanken ihr feuriges Temperament.
Gute Fangchancen in flachen Innenkurven
Nicht nur der Fischreichtum, sondern auch die unübersichtliche Weite und Dynamik dieser Flusslandschaft faszinieren mich. Vor allem im Unterlauf fliesst der Skeena stellenweise bis über einen Kilometer breit, über mehrere, durch kleine und grosse Inseln voneinander abgetrennte Arme. Riesige Totholzansammlungen zeugen von den mächtigen Frühjahrshochwassern.
Meterdicke Baumstämme liegen wie zerbrochene Riesenzahnstocher zu grossen Haufen getürmt am Ufer. Seit Jahrtausenden bestimmt der Skeena seinen Lauf selber. Dynamisch gestaltet er ein vielfältiges Landschaftsbild und schafft gleichzeitig ein kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Lebensräume.
Wer zum ersten Mal am Ufer dieses mächtigen Stroms steht, kann sich schnell verloren vorkommen. Ähnlich einem Meerforellenfischer, bei dem die riesige, vor ihm liegende Wasserfläche an seinem ersten Fischertag Zweifel hervorrufen. Im Gegensatz zur Ostsee sind die fängigen Plätze am Skeena aber einfacher zu erkennen – wenn man weiss, worauf man achten muss.
Gute Fangstellen sind flache, schnell fliessende Innenkurven enger Flusspassagen. Um möglichst rasch in den nächsten tiefen Pool zu gelangen, überwinden die Wanderfische diese Rieselstrecken so schnell es geht. Auf ihrem vorbestimmten Weg zurück zu ihrer Geburtsstätte ziehen sie rastlos und lassen sich durch nichts aufhalten – auch nicht von einem bunten Streamer.
Die Chancen einen Lachs oder eine Steelhead in diesen oft weniger als 50 Zentimeter tiefen, reissenden Zügen zu haken ist um ein Vielfaches höher, als in einem Pool, wo die Fische Zeit und Platz haben dem Köder aus dem Weg zu gehen. Daher ist es entscheidend, die Fliege auf der richtigen Tiefe anzubieten. Eine Steelhead attackiert manchmal auch einen Köder, der nicht direkt auf sie zutreibt, ein Lachs hingegen kaum.
Damit die Fliege auf der kurzen Drift schnell zu den Fischen absinkt, verwenden die meisten Skeenafischer schnell sinkende Spitzen, die dem Schusskopf angehängt werden. Die sogenannten Sinktips, die nach Gewicht unterschieden als T-14, T-17 oder T-20 bezeichnet werden, sind als Meterware im Fachgeschäft erhältlich.
Sie müssen vor dem Fischen in die passende Länge zugeschnitten werden. Diese richtet sich nach der an der Angelstelle vorherrschenden Strömung und Wassertiefe.
Kräftige Fische erfordern starkes Gerät
Die meisten Angler befischen den Skeena mit kräftigen Zweihandruten. Es sind selten die Wurfweiten, die dieses starke Gerät erfordern als vielmehr die kampfstarken Fische in Kombination mit der reissenden Strömung. Eine Steelhead oder ein Lachs, der plötzlich einen Haken im Maul spürt, verfällt in Panik und versucht mit aller Kraft möglichst schnell in tieferes Wasser zu gelangen. Wer nicht bereit ist, sie davor abzuhalten, wird zumindest bei grossen Fischen als Verlierer aus diesem Duell hervorgehen.
Zu Beginn unserer Ferien hatte ich alle mahnenden Worte unserer Guides von der Salmon Skeena Lodge als Übertreibung abgetan. Als ich jedoch mit ansehen musste, wie ein anderer Gastfischer innerhalb weniger Sekunden von einem grossen Fisch ausgespult wurde, weil er seine Bremse zu schwach eingestellt hatte, habe ich meine Vorurteile schnell wieder abgelegt.
Wer beim Fischen am Skeena nicht auf jedes Detail seiner Ausrüstung Wert legt, wird häufig bestraft. Und diese Strafe kann schmerzen: Der Skeena bietet realistische Chancen eine Steelhead über 30 Pfund zu haken. Ein Traumfisch, der dem Gerät alles abverlangt. Einen solch kapitalen Kämpfer zu drillen ist wohl für jeden Angler ein unvergessliches Erlebnis. Aber nur, wenn der Fisch nicht wegen eines vermeidbaren Fehlers verloren geht, erinnert man sich auch in Zukunft noch gerne daran zurück.
Die Fischerei am Skeena
Der Skeena und seine zahlreichen Zuflüsse zählen zu den besten Revieren zum Fischen auf Pazifische Lachse und Steelhead. Die lokalen Fischereibehörden überwachen die Fischbestände umsichtig. Mittels Zählstationen in den Flussmündungen und Testbefischungen im Meer werden die Aufstiegszahlen kontrolliert und allfällige Fangverbote ausgesprochen.
Die Hauptsaison am Skeena beginnt mit dem Aufstieg der Königslachse Ende Mai. Im Juli folgen die Rot-, Buckel- und Hundslachse. Den Abschluss machen die Silberlachse im August und September. In der Nebensaison von Februar bis April und im Oktober, kann man die Steelhead auch in Skeena-Zuflüssen wie dem Copper, Kalum, Kispiox, Nass, Babine oder Bulkley fangen.
Passendes Gerät
Zweihandruten der Klassen 9 bis 11, Fliegenrollen mit robustem Bremssystem, die die Running Line, den Schusskopf und 100 Meter 40 Pfund Backing fassen,
Schnur: Schwimmender Schusskopf oder Full Sinking Line.
Sinkspitzen: T-14, T-17 und T-20 in Längen zwischen drei und sechs Meter
Vorfach: Monofilschnur mit 25 bis 30 Pfund Tragkraft (0,45 bis 0,50 mm)
Fliegenmuster: Intruders, Wooly Buggers, Bunny Leeches, Marabou Minnows, Babine Special, Eggsucking Leech
Unterkunft & Guiding
Die Salmon Skeena Lodge liegt etwa 15 Fahrminuten von Terrace und wenige Hundert Meter vom Ufer des Skeena entfernt. Lodgebetreiber und Guide Willi Schmidt lebt seit 30 Jahren am Skeena und kennt die Gewässer der Region wie kaum ein anderer. Er und sein Guideteam führen Gastfischer zuverlässig an die richtigen Stellen und zeigen die erfolgreichen Köder und Methoden. Geländegängige Fahrzeuge, Leihgerät und Pontoonboote zum selbstständigen Befahren der kleineren Flüsse stehen in der Lodge jederzeit zur Verfügung. Kontakt und Buchungsanfragen für die Salmon Skeena Lodge über Marcel Schneider, Tel. 079 754 16 03 oder unter www.canada-flyfishing.ch.
Autor: balu













