Schon vor langer Zeit habe ich von den Binnenlachsen und Seeforellen im grössten schwedischen See gelesen. Die Trolling-Fischerei hat Tradition in Schweden und zieht viele Einheimische an den riesigen Vänern-See. Jetzt wurde der Traum auch für mich endlich Wirklichkeit.
Es ist 7.30 Uhr morgens, unser Treffpunkt liegt an einer Tankstelle in Bengtsfors. Hier sollen wir warten, denn hier werden wir Tommy, unseren Guide treffen. Die Tankstelle ist schnell gefunden; so viele Tankstellen gibt es hier nicht, und auch Tommy bzw. sein Boot auf dem Trailer ist wahrlich nicht zu übersehen – eine richtige «Trolling-Maschine». Er füllt gerade den Tank seines Zugfahrzeugs und den des Boots, und da passt reichlich Treibstoff hinein – ein 300-PS-Aussenborder hängt am Spiegel.
Die Begrüssung ist herzlich, wir fühlen uns willkommen. Tommy ist Vollzeit-Fishingguide, er kennt die Gewässer in seiner Region sowie die Fischerei bis ins Detail – und wir reden hier von 340 Seen in der Region Dalsland.
Fischreiches Gewässer
Der wichtigste See ist der Vänern-See, eigentlich schon fast ein Meer, denn an vielen Stellen sieht man das gegenüberliegende Ufer nicht, es ist zu weit entfernt. Erinnerungen an die Great Lakes in Nordamerika kommen auf. Im Vänern-See kann man den Bodensee mehr als zehnmal verstecken, er ist 150 km lang und 80 km breit, mit 5519 km² der drittgrösste See in Europa – jetzt ist auch klar, warum wir 300 PS am Boot haben.
Der See beherbergt eine Vielzahl von Fischarten, so wird häufig auf Hecht (Gädda) und Zander (Gös) gefischt, doch auch Egli (Aborre) und Trüschen (Lake) sind in grosser Zahl vorhanden. Die wenigen Berufsfischer konzentrieren sich nur auf Zander und machen dem Fischbestand keinen Eindruck.
In Trolling-Kreisen ist der Vänern-See bekannt für seinen hervorragenden Bestand an Lachsen (Lax) und Seeforellen (Öring) – und genau auf die haben wir es abgesehen.
Leinen los
Nach einen halben Stunde Autofahrt durch eine ansprechende Landschaft mit urtümlichen Wäldern sind wir an der Einwasserungsrampe angekommen. Tommy entscheidet jeweils am Vorabend, welchen Seeteil er mit seinen Gästen die besten Fangchancen hat. Dazu gehört ein gründliches Studium der Wetterdaten und natürlich des Fischer-Buschtelefons – nur wenig wird dem Zufall überlassen.
Der See ist ruhig, so dass eine schnelle Fahrt zu den Fangstellen möglich ist. Diese sind im Frühling meistens etwa 15 Seemeilen vom Ufer entfernt, doch im Spätherbst kommen die grossen Salmoniden gerne in Ufernähe, wo sie ebenfalls erfolgreich befischt werden. Fänge sind aber das ganze Jahr möglich, es ist jedoch im Sommer schwieriger die Fische zu finden, weil sie auf verschiedenen Tiefen stehen.
Auf dem Kartenplotter sind die genauen Fangpunkte jedes Fischs gespeichert – wir staunen nicht schlecht, denn man sieht vor lauter Marken kaum mehr den Hintergrund – die Vorfreude steigt.
Die Wassertemperatur liegt bei 7–8 °C, perfekt für die Jahreszeit – es ist Frühling. Die durchschnittliche Grösse der Fische liegt bei etwa 3,5–4 kg, dabei werden aber regelmässig Fische von über zehn Kilo gefangen. Es spielt keine Rolle ob Lachs oder Seeforelle, beide kommen ungefähr in gleicher Anzahl vor, haben die gleichen Schonmasse (60 cm) und beissen auch auf die selben Köder. Allerdings darf man nur diejenigen Lachse und Seeforellen entnehmen, welche eine geschnittene Fettflosse haben. Daran erkennt man die Fische, die durch Laichfischfang in den Zuflüssen aufgezogen und ursprünglich in den See eingesetzt wurden.
Rutenclips und Planerboards
Auf dem Echolot, zwischen 15 und 20 Metern Tiefe erscheinen immer mehr Fischsignale, dicke Schwärme von … ja was denn eigentlich? «Es sind verschiedene Arten, wie Egli, Weissfische und ‹Nors› eine kleine Felchenart», erklärt Tommy. Auf meine Frage, ob wir denn nun mit Downriggern in diesen Schwärmen fischen sagt er: «Nein, wir fischen mit Rutenclips, die an die Leitschnur der Planerboards (Seehunde) befestigt werden. Damit fischen wir ganz hoch, unsere Zielfische jagen meist in den oberen Wasserschichten, beisst ein fisch löst sich die Angelleine aus dem Clip und sie ist frei. Wir lassen aber noch zwei Downrigger bis etwa zehn Meter hinunter. So sehen wir wie die heutigen Vorlieben sind.» Am Vortag fing er Fische mit dem Downrigger auf sieben Meter Tiefe, dabei war auch ein 13-pfündiger Lachs.
Doch heute sollte es anders kommen – denn erst mal passiert nichts. Wir brauchen etwas Geduld, doch dann kommt endlich der erlösende Biss auf die hoch laufende Rute. Schnell merken wir, das ist ein Kleiner; schon vor dem Feumern sagt Tommy: «Wir müssen schnell und sorgfältig vorgehen, damit der untermassige Fisch schonend zurückgesetzt werden kann.» Und so geschah es dann auch, der Lachs kann wieder zurück in sein Element.
Sofort ist der Köder wieder neu aufgezogen. Wir schleppen mit Baitfish-Heads und toten Lauben (Benlöja), die in ausreicherder Anzahl im halbgefrorenen Zustand in einer kleinen Kühlbox lagern. Tommy gibt sich grosse Mühe beim Umgang mit ihnen, sie dürfen ihre Schuppen nicht verlieren. Mit 40 Gramm vorgebleit wird der Köder wieder an seine Position gelassen, er läuft so in rund 2 Meter Tiefe.
Es ist Mittag, Zeit für ein Sandwich, denn die frische Luft macht hung… pssssssss… sss… – Hektik kommt auf, die Rolle singt, die Rute ist krumm, ein starker Fisch nimmt Schnur. Hasse (Hans) übernimmt die Rute und lässt sie erst nach langen zehn Minuten wieder los, als der Lachs sicher im Feumer liegt. Sechs Kilo Binnenlachs liegen vor uns – wow! «Tip-Top» meint auch Tommy und strahlt als wäre es sein erster Lachs.
Wir wollen mehr
Wir haben einen der Tage erwischt, an denen der riesige See wie ein Spiegel unter uns liegt, ein faszinierender Anblick. Die Sonne scheint und die Jacke wird nicht mehr gebraucht. Doch trotzdem scheinen die Fische weiterhin in Beisslaune zu sein, wir bekommen weitere Bisse von einem untermassigen Fisch und von einem silberblanken Vier-Kilo-Lachs.
Würde sich wohl auch noch eine Seeforelle zeigen, der Tag scheint ja anhand der aktiven Fische vielversprechend. Wir wenden und fahren wiederum die Stelle an, wo die letzten Bisse kamen. Bumm! Wieder ist eine der Ruten mehr als krumm – aufgeregt und vorsichtig drillt Gaby den starken Fisch. Als dieser in Bootsnähe kommt, erkennen wir die Flanke einer grossen Seeforelle, jetzt nicht die Nerven verlieren. Tommy feumert den Fisch gekonnt und die Freude über den Elf-pfünder ist dementsprechend gross.
Neuer Tag – neuer See
Die Fischerei bietet neben dem Vänern-See aber noch mehr. Viele der kleineren Seen in der Region Dalsland beherbergen gute Bestände an Hechten und Egli. Dabei kann man mit ein wenig Glück seinen persönlichen Egli-Rekord brechen, denn es soll nicht wenige 50plus-Stachelflosser geben. Auch wir machen einen Versuch auf eigene Faust an einem Waldsee und fangen auf Anhieb mit Spinnrute und Wobblern mehrere Hechte sowie Egli, dabei ist die Jahreszeit dafür eher noch früh.
Einige der Seen haben ebenfalls alte Bestände an Seeforellen, die nicht stark befischt werden, meistens ist man alleine mit dem Boot auf dem See. Mit Tommy wagen wir einen neuen Versuch am Laxsjön-See und schleppen mit der gleichen Technik wie auf dem Vänern-See. Die Landschaft ist gigantisch, wir geniessen die gemütliche Fahrt entlang der felsigen, bewaldeteten Ufer – hier möchte man am liebsten seine Zelte aufschlagen. Doch nach nicht einmal einer Stunde werden wir aus der trügerischen Ruhe jäh geweckt. Ein Zucken durch die Leitschnur des Planerboards, der Schnurclip spickt nach vorne – Biss! Sofort ist die Rute in der Hand, doch der Fisch scheint verloren zu sein. Dann geschieht das Undenkbare. Wenige Sekunden später, beim Einholen des Köders beisst der Fisch ein zweites Mal zu – er ist dem Köder offenbar gefolgt. Diesmal hängt er sicher. Wieder drillt Hans den Fisch gekonnt ans Boot, doch dieser geht auf Tauchfahrt und lässt sich erst nach langen Minuten über den Feumer führen. Ein Traumfisch von 72 cm Länge – «Tip-Top».
baz
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Die Region Dalsland kann mit einem Direktflug von Zürich nach Oslo und anschliessender Autofahrt (drei Stunden) mit dem Mietauto bequem erreicht werden, ein Navigationsgerät mit programmierter Route wird zur Verfügung gestellt. Als Unterkunft bieten sich verschiedene schön gelegene Ferienhäuser an, die teilweise direkt am Wasser liegen. Kleine Boote für die Fischerei an den Waldseen können ebenfalls gemietet werden. Das Trolling mit Tommy sollte früh voraus reserviert werden, zwei oder drei Trollingtage in einer Woche versprechen Erfolg. |










