Die warme Jahreszeit kann manchmal eine schwierige Zeit sein, um Raubfische zu fangen. Stefan Tiedemann setzt während der höchsten Wassertemperaturen des Jahres auf Fransenjigs – und kann sich über mangelnde Fänge nicht beklagen.
In der Zeit zwischen Ende Juli und Ende September stelle ich den Egli gerne mit Skirted Jigs, also Fransenjigs nach. Und das hat mehrere Gründe: Einer ist die Art und Weise des Fischens. Wenn das Wasser mehr als 25 Grad warm und die Lufttemperatur ebenfalls nicht zur Abkühlung beiträgt, suchen die Fische – genauso wie die meisten Fischer – Schatten auf. Diesen können beispielsweise Bäume oder Bauwerke wie Brücken sowie tiefes Wasser spenden. In meinen Hausgewässern bevorzugen die Fische eher Stege mit langen Pfählen, an denen Boote liegen. Der Schatten der Boote spendet den Fischen nicht nur etwas Abkühlung, sondern auch eine perfekte Rundumsicht. Im Übrigen sind es nur wenige Wochen im Jahr, in denen die Fische hier stehen. Im restlichen Verlauf des Jahres bleibt mir noch genug Zeit, die Stachelflosser an anderen Stellen mit Crank- oder Twitchbaits zu fangen.
Vom Boot agieren
Das Fischen an Stegen ist zwar nicht ganz einfach, macht aber für mich einen besonderen Reiz aus, denn viele Fischerkollegen würden ihr Glück hier gar nicht erst versuchen. Oftmals ist das Fischen von Stegen verboten, das heisst, man muss vom Boot agieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Boote am Steg mit zahlreichen Seilen oder Ketten vertäut sind. Dann kommt es darauf an, extrem zielgenau zu werfen, um Streitigkeiten mit Bootsbesitzern und Hafenmeistern zu vermeiden. Auch aus diesem Grund setze ich auf die Fransenköder, denn wie beim Fischen mit dem Texas-Rig kommt es beim Fischen mit Fransenjigs nicht auf die Wurfweite an, sondern darauf, dem Köder Leben einzuhauchen. Eine sehr langsame Präsentation veranlasst die Fische dazu, ihre Deckung zu verlassen.
Vorteil für Baitcaster
Für die langsame Köderführung sind eine Baitcaster-Rolle (kleine Multirolle) und eine Rute mit Rückgrat unverzichtbar. Dank dieser Geräte sind äusserst präzise Würfe möglich, da beim Wurf eine direktere Verbindung zur Rolle besteht. Damit kann man den Köder sogar während des Wurfs ein wenig lenken. Bei einer Stationärrolle würde der Köder hingegen eine ballistische Flugkurve, also einen Bogen beschreiben. Des Weiteren kann man mit einer Baitcaster den Köder selbst bei niedriger und gut kontrollierbarer Geschwindigkeit praktisch geräuschlos auf dem Wasser absetzen. Das ist insofern wichtig, als dass die kleinen neugierigen Egli durch lautes Platschen oftmals besonders schnell angelockt werden. Sie nehmen ihren grossen Artgenossen dann die Chance, zu beissen, weil sie sich zuerst auf den Köder stürzen. Darum ist neben der dezenten Präsentation auch ein entsprechend grosser Köder von Vorteil. Ich setze auf mindestens zehn Zentimeter lange Krebs-Nachbildungen in Verbindung mit dem Fransenjig. Dieser entfaltet unter Wasser ein besonderes Spiel und verstärkt die Abwehrhaltung, die wir mit dem Krebs imitieren wollen.
Die kleineren Fische lassen sich durch eine solche Ködergrösse oftmals abschrecken – und der Weg für die Dicken ist nun frei. Der eine oder andere wird sich jetzt vielleicht fragen, was an den kleinen Egli so schlimm sei? Schliesslich kann man sich doch bis zu den grossen Exemplaren durchangeln. Diese Denkweise halte ich für falsch. Wenn wir zum Beispiel eine Reihe von zehn am Steg angedockten Booten abfischen, geschieht Folgendes: Unter vieren davon steht ein kleiner Eglischwarm mit Fischen zwischen 20 und 40 Zentimeter. Wenn man dort nun einen Egli hakt, folgen ihm viele seiner Artgenossen bis zum Boot, wo sie wieder abdrehen. Oft ist nun die Chance auf einen zweiten Fisch vertan, weil die Egli bereits Lunte gerochen haben. Daher ist es so wichtig, von Anfang an einen «Dicken» anzuvisieren. Danach zum nächsten Boot – und das Spiel geht von vorne los: Den Köder dicht vor den Steg oder das Boot werfen, ihn dann mit ganz leichten Zupfern der Rute praktisch auf der Stelle animieren und auf den Biss warten.
Anhieb-Reflex unterdrücken
Häufig spürt man schon am hochfrequenten Zappeln in der Rute, dass ein kleinerer Fisch gebissen hat. Wer jetzt den Anhieb-Reflex unterdrückt, kann den sogenannten «Weedguard», der eigentlich vor Hängern im Kraut schützen soll, dazu verwenden, dem kleinen Fisch den Köder aus dem Maul zu ziehen, um einem grösseren Verfolger die Chance zum Zupacken zu geben.
Ein Indiz für den Biss eines grossen Egli ist die Tatsache, dass man nur einen einzigen kräftigen «Tock» in der Rute spürt und der Fisch auf der Stelle stehen bleibt. Im Gegensatz dazu versuchen die kleinen Egli ihre Beute zu verschleppen, um sie dann in Ruhe zu verspeisen. Ein ähnliches Verhalten kann man beobachten, wenn Passanten die Enten füttern. Hat eine Ente ein Stück Brot ergattert, flüchtet sie erst einmal vor den Artgenossen, um ihre Beute in Ruhe zu schlucken. Wenn aber eine grosse Möwe eingreift, sieht das anders aus. Sie nimmt sich das Brot und bleibt an der Stelle, denn sie hat die Enten nicht zu fürchten.
Stege mit Booten sind im Sommer für mich die Top-Stellen. Nicht nur, weil die Egli hier leicht zu lokalisieren sind, sondern auch, weil sie auf so engem Raum stehen, dass der Fressneid extrem hoch ist und uns Fischern in die Karten spielt.
Stefan Tiedemann






